das ist eine Überschrift, die einfach unwiderstehlich auf mich wirkt. Zehn Minuten, das ist nicht viel, wenn man bedenkt, welch enormen Nutzen man daraus zieht! Ich beginne den Tag also mit einer Meditation, exakt zehn Minuten lang, gefolgt von viermaligem Yoga-Sonnengruß (à 2,5 Minuten pro Runde) und einer zehnminütigen Hüpfeinheit auf dem Zimmertrampolin. Dann zehn Minuten Ratlosigkeit, was ich auf nüchternen Magen zu mir nehmen sollte.

Warmes Wasser mit etwas Zitrone, Apfelessig, eine basische Brühe? Frisches Obst ist nie verkehrt, denke ich – doch zuvor auf jeden Fall intensives Ölziehen mit Sesamöl, während dem ich zehn Minuten lang gegen meinen Würgereflex kämpfe. Dann gehe ich joggen – zehnminütige Dehnübungen vorher und sicherheitshalber auch hinterher. Vor der Dusche eine Trockenmassage mit dem ayurvedischen Rohseidenhandschuh. Dauert nur zehn Minuten, belebt den Organismus und strafft das Gewebe. Nach der Dusche eine Kopfhautmassage, das fördert Haarwuchs und Intelligenz.

Während ich einen Smoothie aus frischgepflückten Kräutern trinke, der genau so gesund schmeckt, wie er ist, backe ich einen veganen, glutenfreien Muffin zum Frühstück. Hinterher zur Maximierung der Verdauung eine Runde um den Block, zehn Minuten reichen. Anschließend radle ich zum Markt, weil regional und saisonal ja wirklich ein Muss ist. Bewusstes Einkaufen ist zwar teurer, dafür dauert es etwas länger. Bis ich wieder daheim bin, ist es an der Zeit, das vollwertige Mittagessen zuzubereiten. Also bewusstes Kochen, bewusstes Essen, bewusste Atemübung zur optimalen Aufnahme der Vitalstoffe. Nach dem bewussten Geschirrspülen zehn Minuten Power-Nap, gefolgt von zehn Minuten Treppenlaufen, sehr zur Belustigung meiner Nachbarn. (In der Regel bin ich danach so schlapp, dass ich noch mal zehn Minuten Power-Nap einschiebe.)

Jetzt muss ich einen Gang zulegen, wenn ich mein Programm noch bis zum Abendessen durchziehen will. Augenmuskeltraining, autogenes Training, Gedächtnistraining. Ein Sudoku schaffe ich in knapp zehn Minuten, wenn es mittelschwer ist. Zehn Minuten Schläfenmassage, weil ich vom Konzentrieren Kopfweh bekommen habe. Zehn Minuten Kaltwasser-Kneipen in der Badewanne, zehn Minuten heißes Fußbad, zehn Minuten heftiges Gestikulieren, um die Fingergelenke geschmeidig zu halten (für letztere Übung telefoniere ich mit Freunden in Italien). Es ist erstaunlich, in wie viele verschiedene Zehn-Minuten-Einheiten sich so ein Tag unterteilen lässt.

Seit ich gesund lebe, habe ich keine Zeit mehr, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Langsam wird es eng – aber hört man nicht überall, dass Gesundheit allererste Priorität hat? Für das Abendessen wälze ich ein Dutzend Ernährungsratgeber, bevor ich online auf den Food-Blogs checke, ob es etwas Neues gibt, das auszuprobieren sich lohnen würde. Meist fehlen mir immer ein paar der exotischen Zutaten, weshalb ich noch schnell in den Bioladen muss. Nach dem Abendessen: Bauch-, Beckenboden- und Stimmbändergymnastik. Zum krönenden Abschluss genieße ich noch das obligatorische Gläschen Rotwein bei klassischer Musik, das einen leichten Beigeschmack nach dem Salbeitee hat, den ich bei meiner Stimmbändergymnastik (exzessives Gurgeln) einsetze.

An dem meisten Tagen fühle ich mich schon um neun Uhr ausgelaugt und reif fürs Bett. Manchmal schlafe ich ein, während ich meine Affirmationen aufsage: „Ich bin gesund, ich habe jeden Tag mehr Energie…“

Ich weiß, dass ich dadurch wohl nicht länger leben werde. Dafür sterbe ich wesentlich gesünder. Ist doch auch was.