Mein inneres Kind, dieses Balg, kreischt mir ins Ohr, weil ich drinnen arbeite, während draußen die Sonne lockt. Es quengelt mir vor, dass „später“ ein absolut akzeptabler Zeitpunkt für die Arbeit sei und eh nichts wichtiger als seine Launen. Es läuft zu Höchstformen auf, wenn ich im Supermarkt an einer Kasse ohne Süßkram anstehe. Das Balg reagiert nur auf Lust und Angst, will sofort haben (Schokolade. Aufmerksamkeit. Unterhaltung.) oder sich verstecken (vor allem und der Welt). Mein äußerer Erwachsener sucht frustriert nach pädagogisch wertvollen Methoden zur Konsenzfindung. In solchen Momenten haben beide nicht viel Spaß.
Es ist eh erstaunlich, wie oft sie sich in die Quere kommen, wo doch das Balg im Altbau des limbischen Systems haust, während der Erwachsene in neuzeitlichen präfrontalen Cortex wohnt. Nicht erstaunlich ist ihre schwierige Beziehung, wie mir Autorin Susanne Hühn erklärt, die den Menschen einen entspannten Umgang der beiden miteinander beibringt: „Der Erwachsene ist bewusst, lösungsorientiert und handlungsfähig; er kennt seine Bedürfnisse und ist in der Lage, dafür zu sorgen, dass er sie erfüllt bekommt. Das innere Kind dagegen reagiert reflexhaft emotional und weiß nicht, warum es etwas tut. Es ist in seiner Haltung erstarrt und nicht frei, aus seinen immer gleichen Mustern auszubrechen: dem permanenten Gefühl, verletzt zu sein, etwas suchen oder vermeiden zu müssen.“
Schmerzvermeidung ist das große Thema des inneren Kindes, ist es doch der Teil in uns, der seinerzeit alle prägenden Erfahrungen gemacht hat, ohne in der Lage gewesen zu sein, sie zu reflektieren. Aus diesen ungefilterten Emotionen haben wir dann unsere Weltsicht gebastelt. Und solange du es nicht geheilt hast, lebst du, als würden dir deine Eltern immer noch über die Schulter schauen. Dann ist deine Haltung nicht dem aktuellen Anliegen geschuldet, sondern will Anerkennung und Aufmerksamkeit provozieren. Deshalb manipuliert das Balg, will allen gefallen und macht Versprechungen, die es nie halten kann. Es ist ich-bezogen und hat keinen Sinn für Konsequenzen. Gleichzeitig ist es aber auch sonnig und verspielt, voll Fantasie und Lebensfreude. Solange es sich nicht sicher fühlt, blockiert es mit seinen Launen den Erwachsenen. Wenn es geheilt ist, teilt es großzügig seine Energie mit ihm.
„Ihm etwas zu gönnen, es ein wenig zu verwöhnen, ist hilfreich – aber nicht entscheidend“, erklärt Inneres-Kind-Supernanny Hühn. „Der Mensch braucht vielmehr das Bewusstsein, ob er aus dem Kind oder dem Erwachsenen heraus agiert.“ Das Wissen, ob er tatsächlich eine Lösung sucht – oder nur eine bestimmte Erfahrung vermeiden bzw. wiederholen will. Das innere Kind muss geschützt werden, es braucht einen sicheren Raum in dir selbst – das kann niemand im Außen übernehmen. Eine Art inneres Ikea-Kinderland-Bällebad, so stell ich mir das vor. Da kann es dann toben, während der äußere Erwachsene ungestört lauter erwachsene Dinge tun kann: Rechnungen zahlen, Wohnung putzen, Politik machen. Oder eben einen sonnigen Tag vor dem Laptop verbringen…
Rutsch rüber, Kleines.