Hey Halong!

Hey Halong!

Hier einfach mal ein paar Impressionen aus der UNESCO-Weltnaturerbe-Bucht (natürlich auch vom Essen an Bord, wo wir die Nacht verbracht haben). Dafür erspare ich euch den „So long Halong“-Kalauer, der einem andernorts um die Ohren gehauen wird.

Den zweiten Tag der Bootsfahrt hab ich übrigens liegend verbracht – nicht seekrank, nicht betrunken, aber doch irgendwie schwer angeschlagen. Doch auch von schräg unten sind die 1969 Kalksteininseln einfach extrem fotogen. Danke an Wolfgang R. aus A. für die schönen Bilder!

Die Höhle

Die Höhle

Eine Höhle wollte ich machen, wenn ich schon mal in Dong Hoi / Vietnam war. Sollte reichen, dachte ich. Höhlen sind wie Bahnhofstoiletten – kennt man eine, kennt man alle. Und riechen tun sie stellenweise auch ganz ähnlich, ich schieb es auf koreanische Touristen, die keine Hemmungen kennen, sich wo sie gehen und stehen zu erleichtern. 

Bin eh kein Höhlenfreund, noch nie gewesen. Aus der Gemeinschaft des Rings wäre ich mich vor den Minen von Moria ausgeklinkt. (Na, wenn ich ehrlich bin, wäre ich schon beim „Tänzelnden Pony“ in Bree hängengeblieben).

Eine Höhle also. Nicht so beeindruckend, dachte ich noch, als ich die vielen Holzstufen runterstieg (nachdem man draußen erst viele Steinstufen hochsteigen musste … so unentschlossen irgendwie).
Und dann bog ich ums Eck und sah mich in Sack und Asche. Paradise Cave im Nationalpark Phong Nha-Ke Bang ist die schönste Höhle, die ich je erlebt habe.

Als hätte ein Kollege von Slartibartfass (Anhalter durch die Galaxis – *remember?) sämtliche Kathedralen, Dome, Tempel und Clubs dieser Welt besichtigt und dann gedacht: „Das top ich doch locker.“ Und ich hab einige Kathedralen auf dieser Welt gesehen (… müssen, mit Kathedralen geht’s mir wie Höhlen. Kennt man eine…)

Betörende Schönheit in Stein, die von der Zeitlosigkeit des Vergänglichen berichtet und Interior-Design-Preise abstaubt. Dezent ausgeleuchtet und atemberaubend, hinreißend, überwältigend.

Am Tag danach dann Muskelkater, vom Stufensteigen.

Hochzeit in Hoi An!

Hochzeit in Hoi An!

Phuong (Nguyen mit Nachnamen, wie 40 % aller Vietames*innen!!), die Betreiberin eines kleinen Massagesalons in Hoi An, wurde nach meinem letzten Vietnam-Aufenthalt Anfang des Jahres meine Facebook-Freundin – obwohl oder gerade weil mein Vietnamesisch nichtexistent und ihr Englisch recht bescheiden ist. Irgendwann im Sommer schrieb sie, ob ich denn zu ihrer Hochzeit kommen würde. Glückwunsch, du hast dich verlobt?, schrieb ich – und sie antwortete mit einem mona-lisa-haften „not yet“.

Sie arbeitete schnell. Am 3. November war’s soweit. Phuong hatte vorgeschlagen, sich Freitagabend zu treffen – ich war überrascht, sollte doch Samstag der große Tag sein, und kam hoffnungslos underdressed mit dem Moped an (aber wenigstens noch ohne Sonnenbrand) . Großes Erstaunen, als ich feststellte, dass hier der Rarty erster Teil stattfinden sollte, die Feier für Braut & Anhang, 270 Gäste, ein Moderator auf der Bühne, der durch den Abend führte, und eine erkältete Exotin (ich). Die Damen an meinem Tisch kannte ich noch von diversen Fußmassagen her. Phuong erkannte ich in weiß aufgebretzelt kaum wieder – hier der direkte Vergleich:

Die Stimmung: ausgelassen. Die Leute konzentrierten sich sinnvollerweise auf das Essen, statt sich vom Treiben auf der Bühne ablenken zu lassen – als da wären das Befüllen einer Sektschalen-Pyramide und das vorgetäuschte Anschneiden einer ganz offensichtlich textilen Torte (ich tippe auf Plüsch).  Während das Brautpaar, von einem Fotografen verfolgt, sich den ganzen Abend lang von Tisch zu Tisch quälte, um sich dort mit den jeweiligen Tischsitzern fotografieren zu lassen,  hielten diverse Verwandte, begleitet von einem enthusiastischen Keyboard, das Publikum mit Karaoke in Schach. Das mag ich an den Vietnames*innen: Die bei uns vorherrschende Scheu, sich zum Narren zu machen, kennen sie nicht.

Dann ein Déjà-vu am Samstagmittag: andere Lokation für die 300 Leute des Bräutigams, neues Kleid für die Braut, identisches Programm bis hin zur Menüfolge. (Habe leider mangels Sprachkenntnissen nicht in Erfahrung bringen können, ob das Tradition, ein Versehen oder eine Absprache aus Gründen des verwandtschaftlichen Mitbewerbs war). Ich stäbelte gelegentlich eine Karottenrose vom Teller, wenn dessen Inhalt allzu fleischlastig war, und versuchte vergeblich, die Leute daran zu hindern, mir Eiswürfel ins Bier zu werfen (eine Service-leistung des Servierpersonals, kein Party-Gag).

Sehr nett finde ich, dass hier auch die Eltern mit auf die Bühne gebeten werden, wo sie dann äußerst unbehaglich aussehend herumstehen und wünschen, kinderlos geblieben zu sein. 

Auch hier war nach zwei Stunden alles vorbei. Mögen sie eine lange, glückliche Ehe haben!

Verant_WORT_ung!

Verant_WORT_ung!

Am Anfang war das Wort – und seither sind noch ein paar dazugekommen.

Sie sind inflationär in ihrer Fülle. Wir haben so viel davon, dass wir den Russen „Butterbrot“ abgeben können, den Angelsachsen „angst“ und den Franzosen „le heimweh.“ Allein dieser Blog hat mehr Worte, als du je brauchen wirst, um wortgewandt durch’s Leben zu gehen. Und doch gibt es einige Wörter, die fehlen. Wenn man nicht mehr hungrig ist, ist man satt – doch wie heißt die Entsprechung beim Durst?

„Rettet dem Dativ“ hat als grammatikalpolitische Aufforderung jegliche Brisanz eingebüßt, und der Werbung gelingt es, durch schamlose Verbalkosmetik aus jedem Eimer ein „traditionell multifunktionales, beidhändig zu bedienendes Transport-und Aufbewahrungs-Kombigefäß in klassisch-minimalistischem Design“ zu machen.

Verben stehen aktuell weit oben in der Worthierarchie – den Hauptwörtern in der Pole-Position dicht auf den Fersen. Adjektive dagegen haben müssen ihr klägliches Dasein in der Halbwelt von Werbung und Groschenromanen fristen. Dass manche Wortgruppen stilistisch völlig diskriminiert werden, musste ich neulich selbst erfahren, als ich meinem Lektor in einem Vorwort-Lokal traf. Da der wortgewaltige Mann mich eingeladen hatte, um ein ernstes Wort mit mir zu reden, befand ich mich nicht gerade in freudiger Erwortung.

Er ging auch gleich in medias wort: „Du musst verantwortlicher bei der Wortwahl sein. Dein Gebrauch von maßlos vielen Adjektiven ist ohnehin bedenklich – aber diese Menge an Adverbien, das geht zu wort!“

Ich schwieg beleidigt und löffelte nervös meine Buchstabensuppe. Das Radio sang monoton: „Bitte gib mir nur ein Wort!“, während der Kellner versehentlich ein zweisprachiges Menü fallen ließ. Im Aquarium die einzigen Wesen, die nicht viel Worte machten. Dann fragte ich etwas barsch: „Soll ich mich vielleicht vorsorglich gegen Adverbien impfen lassen?“

„Gib dir etwas Mühe, dann wort das schon“, antwortete er. „Kommt Zeit kommt Wort, wie es so schön heißt.“

„Worte sind geladene Pistolen, sagt Sartre“, sagte ich.

„Worte sind Taschen, in die bald dies, bald jenes, bald mehreres auf einmal hingesteckt worden ist. Sagt Nietzsche“, sagte er.

„Der Irrtum wiederholt sich immerfort in der Tat, deswegen muss man das Wahre unermüdlich in Worten wiederholen“, parierte ich mit Goethe.

„Doch nur, wo Worte selten, haben sie Gewicht“, versetzte er mir einen Shakespeare-Hieb.

Da mir die WordsApp auf dem Smartphone nicht weiterhalf, ging ich, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Ich hatte noch einen Termin in der Vogelworte der kleinen Wortschaft. Die Adverbien würde ich (schmerzlich) vermissen.

Ein klein wenig Herz …

Ein klein wenig Herz …

… bleibt immer unterwegs hängen, liebe Freunde sentimentaler Abschiede. Heute, wenige Stunden vor Aufbruch, ist das Meer so ruhig, wie ich es hier noch nie gesehen habe. Ungefähr 4 -5 Abschiede hab ich gefeiert, im kleinen wie auch großen Rahmen, und jedesmal war ich schon auch traurig. 🙁

Dann kaufe ich immer Souvenirs, um mich mit der Energie des Hierseins zu verbinden und auch ein wenig davon mit nach Hause zu nehmen und zu bringen. Das sprengt das Gepäck und das Budget … aber ich kann nicht anders.

Nicht immer lerne ich so viele Menschen so gut kennen wie in den zwei Monaten hier, wo das Leben so einfach ist (und ich so lange am Stück war)! Morgens (sehr früh, mir reichen hier 5 – 6 Stunden Schlaf!) bin ich aus dem Haus – manchmal ins müffelnde Yoga, manchmal an den Strand, manchmal gleich zum Arbeiten. Mittags hab ich hier oder da gegessen, zwischendrin Massagen eingeworfen und drei mal die Woche je 4 Stunden im Laden ehrenamtlich mitgearbeitet. Und viel erledigt gekriegt in sechs Arbeitstagen jeweils, bin auf der energetischen Welle des fokussierten Schaffens im Coworking Space mitgeschwommen. (So viel arbeite ich daheim eigentlich nie… *hüstel*)

Und abends dann, nach Ladendienst, Essen oder Pub oder Live Musik, wieder nach Hause zurück. Living is so easy, wenn man sich im Grunde für nichts extra umziehen oder Jacken einpacken muss, sondern so, wie es einem in den Sinn kommt, auf das Moped springen kann, wo der Helm schon auf einen wartet, und einfach los düst. Das wird daheim sehr anders werden.

Das Touri-T-Shirt kriege ich diesmal nicht – war nicht im Norden, hab es ja noch nicht mal nach Hue geschafft (3 Stunden entfernt), sogar nicht mal die halbe Stunde nach Da Nang, wo ich von der Managerin des Restaurants im Hyatt zum Lunch eingeladen war. Aber ich wollte einfach hierbleiben – und mir auch etwas von diesem schönen, sanften und dabei so starken Land aufbewahren für den nächsten Besuch.

Ich habe die Leute hier sehr ins Herz geschlossen. Habe das Chaos auf den Straßen verflucht und ihre Gelassenheit bewundert – und fast noch mehr die Freundlichkeit, sogar Herzlichkeit, mit der sie einem begegnen, ungeachtet dessen, dass es unendlich schlaucht, wie ich weiß, permanent zu dummen Touristen (wie ich einer bin) freundlich zu sein – auch zu den unhöflichen (wie ich keiner bin, lege immer Wert auf gute Umgangsformen, wenn ich im Ausland unterwegs bin. Daheim ja eher weniger (-;)

Mein Herz quillt gerade so über wie mein Rucksack (WAS hab ich mir dabei gedacht???). Ich werde meinen Arbeitsweg durch die Reisfelder vermissen, meinen Home Stay zwischen Gemüsebeeten, die Leichtigkeit, mit der man unterwegs den Leuten sehr nahe kommen kann, die unendlich entspannenden Massagen und die schwüle Hitze des Tages.

Gestern hab ich mit rund 15 Leuten im Soul Kitchen am Strand Abschied gefeiert. Als ich das erste Mal vor vielleicht 7 Wochen hier war, hat mir ein junger Kellner mit Benzin ausgeholfen. Nam, der auch auf der Gemüseinsel wohnte, wie sich herausstellte. Er wies mein Trinkgeld entrüstet ab: „We do it to help you, not for money.“ Drei Wochen später sah ich ihn wieder, er begrüßte mich mit Namen. Gestern Abend war er nicht da, weil Frühschicht, und seine Kollegen riefen ihn an, damit er vorbeikommen und sich von mir verabschieden konnte. Was er auch tat.

So sind die Leute hier …

Ach, ich bin traurig. Dann werde ich immer ganz unwirsch zum Ausgleich – das, oder ich hänge wie ein nasser Sack in den Seilen. Zum Glück werde ich mich in Saigon über den Verkehr und die Abzocke und den Ballermann-Lärm ausreichend ärgern, so dass mir der Rückflug doch etwas leichter fallen wird (so der Plan).