Im tiefsten November bringt die ABGEBRÜHTe Lesebühne gemeine Comedy, Theaterstücke zum Vorlesen, Unbesinnliches zu Weihnachten und Schlagzeugen sowie dergleichen launige Texte mehr an den Start. Im lauschigen Ambiente des Cafés Beans and Books hat der Novemberblues keine Chance. Das Publikum wird bestens unterhalten und verköstigt – dafür können wir garantieren!
Unser November Line Up:
Andy Kuhn
… ist Schlagzeuger und Kinderbuchautor, und außerdem weiß er so ziemlich alles über Weihnachten, was man nicht wissen muss… und irgendetwas über Schlagzeuge, Kinderbücher oder Weihnachten wird er uns dann auch erzählen…wahrscheinlich.
Michael Sailer
… ist auf vielfachen Publikumswunsch zum zweiten Mal dabei. Seine „Theaterstücke zum Vorlesen“ bringen das Zwerchfell zum Beben. Der Autor diverser Bücher und Empfänger etlicher Preise ist seit 1996 mit seiner Kolumne „Belästigungen“ auf Radio München zu hören.
Mathias ALBUS
… ist wie eine Fahrt mit dem Heißluftballon, sagt er. Er macht ein paar Minuten lang Spaß! Seine Comedy schafft die Gratwanderung zwischen unangebracht und sehr unangebracht spielerisch, und er nimmt sein Publikum mit auf eine Reise, die es so nicht gebucht hat. Mathias macht gemeine Gags nicht, weil er kann, sondern weil er muss!
Martina Pahr
… freut sich darüber, durch diesen Abend zu führen, von den Stammgästen mit Haribo gefüttert zu werden, keinen Stress mit Weihnachten zu haben und sich insgesamt in mehr Gelassenheit und „Rutscht mir den Buckel“-Haltung zu üben, zefix!
Freitag, 29. November 24
Beginn 19:30 Uhr
Beans and Books
Knorrstraße 8 – 80807 München
Eintritt frei – Spenden willkommen!
Mit freundlicher Unterstützung des Bezirksausschusses 11 Milbertshofen!
Die kuschelige Lesebühne in Milbertshofen lädt zu einem höchst unterhaltsamen Herbst ein:
Kabarettistin Martina Beils verarbeitet ihre Medienjahre mit Sinnsuche, Poetry Slammer Philipp Potthast bringt das Zwerchfell zum Beben, Songwriterin Solly Ashkar entführt in die Welt des Blues and Folk und Gastgeberin Martina Pahr reiseleidet und beichtet.
Martina Beils
… hat 20 Jahre lang Medien gemacht und jetzt gekündigt: den Job, die Wohnung, das bisherige Leben. Auf einer Sinn-Suche landet sie auf’m Dorf, schlittert in die Arme eines blutjungen Liebhabers, radikalisiert sich online zur *piiieeep* und wittert einen True Crime Fall im Gemüse-Beet.
Philipp Potthast
.. ist ein, wenn nicht sogar DER Poetry Slammer aus München. Er ist seit 2022 amtierender Stadtmeister und konnte seinen Titel 2023 verteidigen. Wenn er nicht auf Bühnen steht, arbeitet er als Autor für den Bayerischen Rundfunk. Und beides macht er fantastisch gut!
Solly Ashkar
… war schon Vorband für Fools Garden, Marla Glen, Keb Mo, Nick Howard … Blues, Folk und das „Great American Songbook“ sind die größten Einflüsse ihrer Musik. Die eindringliche Stimme der Sängerin, Songwriterin und Gitarristin wird oft mit Sheryl Crow, Norah Jones und Katie Melua verglichen.
Martina Pahr
… verarbeitet ihre langen Jahre als Reiseleiterin bei Busreisen in aller Welt endlich literarisch (billiger als Therapie) und geht zwischendrin auch mal beichten. Ansonsten führt sie durch den Abend und freut sich darauf wie ein Schnitzel!
Als er in Hoi An ankam, hatte er Übergewicht. Also nicht er, wie er gern betont – sondern sein Gepäck. Ein Blick darauf beantwortete sämtliche Fragen: drei Liter Sonnenschutz, auf fünf Flaschen verteilt, Insektenspray und Zeckenabwehrmittel, ein Keyboard und noch die Mitbringsel, um die ich ihn gebeten hatte. Tortellini, Gnocchi, Olivenäöl und Kaminwurzen, um uns für die vielen Einladungen zum Essen zu revanchieren, zehn Packungen Haribo, um etwas „typische deutsches“ zu verschenken (gibt’s hier an jeder Ecke) sowie Tempos, jede Menge Tempos.
Anfangs fuhr er noch hinten auf meinem Mofa mit. Inzwischen hat er sich selbständig gemacht und fährt den ganzen Tag Hoi An und sein Umland ab – so versiert, dass ich mich wirklich fragte, ob ich ihm ggf. tatsächlich Unrecht damit getan haben sollte, hier zu verbreiten, dass er keinen Orientierungssinn habe und wir deshalb nicht abgelegen wohnen könnten („der findet doch nie wieder heim sonst!“). Dann verriet er mir, dass er die Navi-Uschi als Knopf im Ohr hat. Das ist dann doch eleganter als meine Methode (fluchend ranfahren, das Handy aus dem Bauchbeutel ziehen und ratlos in sämtliche Himmelsrichtungen schauen).
Wenn er nicht fährt, geht er zum Strand und schläft dort ein bisschen, sagt er. Oder er geht in den Haushaltsfachbedarf, um dort winzige Handtücher zu kaufen, die dann, befeuchtet und mit Lemongrass-Aroma getränkt, im Kühlschrank auf ihren Einsatz warten. Wie im Flieger, sagt er. Obwohl er ansonsten sehr vieles als „fancy schmancy“ ablehnt. Z.B. die Cafés, in die ich zum Arbeiten gehe. Da lege ich dann gerne das dreifache für einen Kaffee hin, als wir in „Miss Tam’s Coffee Number 1“ am Ba Le Market bezahlen. Und wo es leider keine Nudelsuppe für 80 cent gibt.
Er schaut sich all die „Sights“ an, die ich mir, obwohl schon zum dritten Mal hier, bisher geschenkt habe: das Pottery Village, die Coconut Boat Touren … Die beschreibt er hinterher mit einem Wort: Touri-Fallen. Ich mein halt: Wenn ich hier zwei Monate oder auch nur fünf Wochen lebe, bin ich so gut wie ein Einheimer und muss mir das nicht antun.
Womit mich mein platonischer Freund immer wieder in Erstaunen versetzt, ist seine latente Bereitschaft, alles mit seinem Lieblingsurlaubsland zu vergleichen. „Das ist ja wie in Kroatien“, meint er wenigstens jeden zweiten Tag. Mir war nicht bewusst, dass so viel Ähnlichkeiten zwischen Südostasien und dem Balkan bestehen, aber man lernt ja gern dazu. Im Sommer begleite ich ihn vielleicht dorthin, und dann werd ICH bei jeder Gelegenheit tönen: „Das ist wie in Vietnam!“.
Bis vor kurzem war es noch so: Die Natur war draußen, während ich drinnen war und so getan habe, als würd ich arbeiten. Ab und zu hab ich geguckt, was sie so treibt. Meistens war sie immer noch draußen. Bei dieser Gelegenheit hab ich dieses Jahr auch erstmals Bärlauchpesto gemacht.
Und dieses Pesto hat wohl auch den Ausschlag gegeben, dass ich meinen eigenen Backstage-Pass zu Mutter Natur bekommen habe. Ein Parzellen-Paradies mit Blick auf den Olympiaturm. Mein persönliches urbanes Arkadien. Das ist, wie die Kulturchecker wissen, nicht nur eine griechische Landschaft, sondern auch der „liebliche Ort“ der Glückseligkeit in der antiken Literatur. Da, wo Hirten hinter Herden und Nymphen hinter Pan herjagen. Bis der alte Geißengott dann erschöpft in der Mittagshitze unter einen Olivenbaum sinkt und die Nymphen Bier holen schickt.
Ich habe jetzt also ein Outdoor-Kreativbüro, wo ich Oden an mein Gemüse schreiben kann, wie Ringelnatz einst auf die Kartoffel und Wilhelm Busch auf die Bohne (daher auch der Name „Buschbohne“). Goethe, der alte Poser, hatte sich auf die Artischocke eingeschossen, obwohl er sie anfangs noch für eine hässliche Distel hielt. Das erinnert ein wenig daran, wie ich neulich in der Berufsschule für Gartenbau stand mit einem Topf mit rot-grünem Blattwerk in der Hand und fragte, ob es sich dabei um Pflücksalat handle. Der Verkäufer lachte herzhaft – und lang – und sagte, es sei Mangold. Ich erklärte, dass ich noch nicht lange dabei sei. Er daraufhin: „Das wär mir jetzt nicht aufgefallen.“ Doch im Garten ersetzt Enthusiasmus konkretes Sachwissen. Das ist jetzt in anderen
Bereichen, etwa der Medizin oder der Politik, idealerweise anders. Oder eben auch nicht, und dann fehlt beides. Und es gibt ja auf Youtube Videos für schlichtweg alles: Hochbeete aus Kinderspielzeug, Lobotomie selbst gemacht mit einfachem Küchengerät, Wärmekissen aus Nachbars Katze.
Inzwischen spreche ich fast fließend botanisch, kenne Wörter wie Grünschnitt und Karbidstein und nenne Unkräuter brav Beikräuter, weil politisch korrekt. Ich pflanze übrigens sehr viele Beikräuter an und kann nicht jäten, weil ich sie von den anderen, den Nutz- oder Erstkräutern, noch nicht unterscheiden kann. Das verkaufe ich den Nachbarn gegenüber als gewollt und ebenfalls politisch korrekt. Ich bin halt tolerant. Nur Nacktschnecken verdienen kein Erbarmen.
Früher hat meine Mutter vor der Gartenarbeit noch zu mir gesagt: „Versuch halt, nicht ganz so laut zu schreiben, wenn du einer Schnecke begegnest.“ Heute zücke ich die Gartenschere, ohne mit der Wimper zu zucken. Nur noch selten wird mir hinterher übel, wenn das Gedärm aus dem Tier herausquillt. Dermaßen animiert, überlege ich mir, dass ich jetzt permanent mit potentiell tödlichen Tatwaffen hantiere: Draht, Gartenkralle, Mistgabel… von den Sägen für Astschnitt und Häcksler-Maschinen ganz zu schweigen. Das Heckenscheren-Massaker von München ist nur eine dumme Bemerkung des Gartenbau- Verkäufers entfernt.
Ich denke, dass ich mit Leichtigkeit vier oder fünf Leichen in meinem Schrebergarten entsorgen könnte: Da, wo der Teich war. Im Kompost. Im Hochbeet. Im Kühlloch. Im Geräteschuppen. Die Blicke meiner Nachbarn jenseits des Maschendrahtzauns gewinnen proportional mit diesen Überlegungen an Bedrohlichkeit, und ich denke: „Der hat doch sicher nur deshalb so schöne Rosen, weil er jemanden darunter verbuddelt hat.“ Als er neulich Besuch hatte, gingen zwei in die Gartenlaube – doch nur einer kam wieder heraus. Und dann denke ich, dass ich statt Gemüseprosa vielleicht lieber Krimis schreiben könnte, im Stil von: „Nur die Wühlmaus war Zeuge.“ Oder Spionagethriller wie „Der Kürbis, der aus der Kälte kam“. Vielleicht auch sozialkritische Romane à la „Wer die Kohlmeise stört“.
Oder vielleicht auch Erotika? Erfolgsbewährte Titel wie „In der Laube der Lüste“, Neo- Klassiker wie „Neuneinhalb Gurken“, zeitgemäße Neuinterpretationen wie „Unterm Tomatendach wird gejodelt“ oder der bewährte Gärtnermädchenreport. Gemüse-Sex wäre
im nachhaltigen, glutenfreien Bio-Zeitalter sicher auch eine lohnenswerte Nische: Topinambur ohne Tabus, Erbsen in Ekstase, lüsterner Lauch, zügellose Zucchini und williger Wirsing.
Es böten sich natürlich auch Ratgeber voll Lebensweisheiten an, denn wir gärtnern, um zu lernen, wie wir auch leben, um irgendwann auf dem Kompost der Ewigkeit zu landen. Willst du den Planeten ändern, so fange beim Garten an – so oder ähnlich hat sich garantiert irgendein fernöstlicher Weiser schon einmal geäußert, Jahrtausende vor der Zeit, als Martin Luther im Glauben, dass morgen die Welt unterginge, Apfelbäumchen gepflanzt hat. Und dann ging die Welt doch nicht unter und er bekam Probleme mit dem Kleingartenvereinsvorstand, weil die Pflanzung nicht den Vorschriften entsprach.
Neuesten Erkenntnissen zufolge stammt der Spruch übrigens nicht von Luther.
Anderen Erkenntnissen zufolge war der alte Untergangs-Paranoiker für 80 % der Obstgärten in und um Wittenbach verantwortlich.
Im Schrebergarten üben wir für eine bessere Welt en miniature. Und wir spielen Gott – an den Tagen wenigstens, an denen wir gießen müssen: Entscheiden, was stehenbleiben darf und was geschreddert wird, was wir düngen und was wir verdursten lassen, wo wir Rasen heilsam über alte Wunden sähen und wo wir mit Marmorkies alles ins Unbewusste verdrängen. Runter von der Couch und rein in den Garten, kann man da nur sagen.
Die Natur wirkt ja auf viele kreativ. Schiller hat seinerzeit geschrieben:
Auch ich war in Arkadien geboren
Auch mir hat die Natur
An meiner Wiege Freude zugeschworen
Doch Tränen gab der kurze Lenz mir nur.
Und ich schreibe jetzt:
Die eigene Kartoffel ist nur dann größer, wenn die des Nachbarn kleiner ist.
Jetzt bin ich also endlich wieder hier: im hübschen Hoi An, wo ich am Flughafen NICHT mit einem Schild mit „Ressort XY“ oder „Ms Pahr“ empfangen wurde. Sondern auf meinem stand: WELCOME TINA! Ich brauchte keine Sekunde zum Akklimatisieren.
… und hatte die auch gar nicht: am Ankunftstag Essensverabredung, am Tag darauf Essenseinladung ( leckersten Fisch von der Famlie von Phuong auf Cham Island) und drei Tage intensive Wohnungssuche im Dauerregen (es lebe der Magic Rain Poncho). Der prompt aufhörte, als ich das ideale Häuschen für Februar gefunden hatte, für nur 8 Millionen Dong, Strom und Wasser extra. Inzwischen ist das sehr minimalistische Interior mit bunten Lampions und Karten geschmückt, weil TET – das über mehrere Tage gefeierte Neujahrsfest.
Es ist, als sei keine Woche vergangen, dabei ist es schon fünf Jahre her, dass ich zuletzt da war, auf Phuongs Hochzeit. Hab mich trotzdem prompt auf der Gemüseinsel verfahren (geht auch den Einheimern so) und bin auf den Reisfeldern in diversen Sackgassen gelandet. Hab jeden Tag neue Leute kennengelernt und etliche „alte“ wiedergetroffen. Morgen Kaffee mit Thuy, einer Ex-Kollegin, und ihrer Familie. Sie ist mittlerweile koffeinsüchtig, glaube ich. Facebooks Fotos haben’s mir verraten 😉
Aber das ist nachvollziehbar: Sie haben hier jetzt einen geilen salzigen „Kaffee“ am Start, der mit Frischkäse aufgeschäumt wird und suchtbildend ist. Ich hatte heute keinen, weil vormittags arbeiten und nachmittags frösteln am Strand, weil windig. Heute abend bleib ich mit einer Dose Bier und einer Tüte Erdnüsse daheim und zittere, weil auf Entzug.
Ich fühl mich hier echt gut aufgehoben. Beim „Heaven Garden Spa“ kriege ich fett Rabatt, weil ich auf Empfehlung von Janie komme, und Leute, von denen ich seit fünf Jahren nix gehört habe, schreiben mich an, sie hätten erfahren, ich sei wieder hier …
Aber das ultimative Level hab ich erreicht, als ich heute von einer hochschwangeren Souvenirverkäuferin einen Taschenspiegel geschenkt bekommen habe. Sie wollte mir gar nichts verkaufen. Weil sie mich liebt, wie sie seit unserer zweiten Begegnung behauptet, weil ich so freundlich wäre und mich an ihren Namen erinnere (jawoll, ich erinnere mich!).
Und dabei kneift sie mir – ich vermute liebevoll – in die Wange. Auf meine Einladung zu einem Saft sagt sie aber, womit wir Touristen die Verkäufer sonst immer abwimmeln: „Später“.