Wer suchte nicht nach Wegen, sich die Arbeit zu erleichtern, gar versüßen? Neben dem gezielten Einsatz arbeitsraumerweiternder Drogen bietet sich das – gerne exotische – Ausland als optimale Alternative an. Im Grunde eine Art Home-Office, nur eben nicht daheim, sondern ganz weit weg: dort, wo es warm ist und man vom quietschenden Röhren fremder Vöglein in den Schlaf gesungen wird. Und vom Tuck-Tuck der Tuk-Tuks wieder jäh aus dem Schlummer gerissen.

Arbeiten, wo andere Urlaub machen – das hat natürlich auch eine Kehrseite. Nämlich:

Man arbeitet, wo andere Urlaub machen. Und das kann einen hart angehen, wenn man konzentriert in den Laptop im Café starrt, während das Partyvolk entweder feiert oder die Folgen des Feierns verarbeitet. Wenn besagtes Partyvolk im Guesthouse lärmt, wenn man das müde Haupt zur Ruhe betten will. Und wenn Bitten um Rücksichtnahme („Es ist schon fast ELF!“) auf fiebrige Blicke glasiger Augen stoßen. Da macht man dann halt mit, das gehört zum guten Ton. Und am anderen Tag schaut man neiderfüllten Blickes zu, wie die Partyvölkler den ganzen Tag im Pool planschen, während man hofft, allein schon mit dem Anblick denselben, wenn man mal vom Laptop hochschaut, genug Bacardi-Feeling einzufahren. Denn man ist ja zum Arbeiten hier.

Ich bin gerade zum Arbeiten in Chiang Mai. Hier war ich noch nie, hab den Tipp von einer Seite im Netz. Ich wähnte wohl, es läge am Flair der Stadt oder an irgend etwas anderem als den Abgasen, das hier in der Luft liegt … oder vielleicht eben an diesen… läge an produktivitätssteigerndem Trinkwasser oder arbeitslustoptimierenden Tischflächen… Wie auch immer: Es arbeitet sich auch hier nicht von allein.

Dabei hab ich es mir so effizient vorgerechnet: Keinen Zeitverlust mehr durch Einkaufen, Kochen, Abspülen. Keinen Haushalt, keine Fernsehserien und keine alten Gewohnheiten, die einen so beflügeln wie ein Amboss am Bein. Keine lange Anfahrt zum Coworking Space. Stattdessen Konzentration auf die Arbeit, unterbrochen von zackigen Pausen, die der Nahrungsaufnahme sowie sozialer Interaktion dienen. Am Abend dann leichtes Sightseeing und ein wenig dem Partyvolk auf die Nerven gehen.

Aber die Rechnung geht nicht auf, denn so ein Chiang-Mai-Tag hat weniger Stunden als daheim. Ich hab’s gemessen – und dann die Stoppuhr verbummelt. Die australische Designerin neben mir am Tisch sagt: Südostasien halt – der Chill, das Tempo. Das bedeutet: Ich arbeite jetzt in Thaizeit.

Ich wache hier später auf. Damit fängt das Elend schon an. Zeitersparnis Essen – eine Illusion, denn es gibt sehr viele Lokale. Zu viele Lokale. Man kann keinen Schritt gehen, ohne auf zwei Lokale, ein gehobeneres Restaurant, zwei bis drei Straßenstände und eine Handvoll Garküchen zu treten. Und es gibt mindestens ebenso viele Möglichkeiten, sich eine Massage abzugreifen. Zeitersparnis Haushalt – auch hier Fehlanzeige. Allein das Verstauen der Souvenirs, die einem so zulaufen, wiegt jeden Küchenputz zeitlich auf. Zeitersparnis Coworking Space – da kommen die sozialen Interaktionen ins Spiel. Man kommt halt doch ins Gespräch. Und alle, wirklich ALLE, haben einen Mac. (Auch ich.)

Ich war mit meinem treuen Mactop schon ein paarmal im icare-Center. Da dieses in der recht umtriebigen Shopping-Mall Kad Suan Kaew steckt, zieht sich diese Angelegenheit. Allein schon, bis ich mir diesen Namen gemerkt habe! Vor Ort, im Supermarkt-Untergeschoss, denk ich dann, dass ich ja wenigstens Frühstück morgen selbst machen könnte, und fange versonnen an, ein wenig hiervon und davon einzupacken. Da ich meine Lesebrille nicht immer dabei habe und das Zeug ohnehin auf thailändisch beschriftet ist, nimmt das Rätseln um den Inhalt ebenfalls viel Zeit in Anspruch.

Nach dem Mittagessen mag ich nicht mehr arbeiten, sondern lieber verdauen. Also pflege ich Siesta, oder versuche es wenigstens. Nach einer erfolglosen halben Stunde stehe ich auf, um ein wenig Kaffee zu mir zu nehmen. Den besten (und idealerweise auch günstigsten) gibt es in einer kleinen Rösterei in der Nähe des Somphet Market. Da radle ich entspannt in zehn bis fünfzehn Minuten hin. Manchmal kaufe ich unterwegs noch ein wenig Obst, gönne mir eine Pediküre und unterstütze die lokale Wirtschaft.
Um sechs ist es dann dunkel und der Arbeitstag vorbei.